Als es damals um die Themenfindung bei meiner Masterarbeit ging, wurde mir schnell klar, dass wenn ich mich mit einem Thema drei Monate intensiv auseinandersetzen soll, dann muss etwas her, was mich eh schon den ganzen Tag beschäftigt. Und das sind nun mal lustige Internetbildchen. Aber wie verkaufe ich das meinem Kulturjournalismus-Studiengang? Herausgekommen ist eine Beschreibung der viralen Entwicklung und Weiterentwicklung von (lustigen) Inhalten im Internet.
Der Kulturjournalismus-Masterstudiengang an der Universität der Künste in Berlin war eine der besten Dinge, die mir je passiert sind. Es war sehr inspirierend jeden Tag in diese Kunsthochschule zu gehen, wo im Nebenzimmer Geigenstudenten übten und ich habe dort viele Menschen kennengelernt, die mir sehr ähnlich sind, die vielseitig interessiert sind, ein wenig künstlerisch veranlagt, auch mal um die Ecke denken, lustig sind und ein gewisses Sendungsbedürfnis haben. Viele berufliche Kontakte, mit denen ich tolle Projekte gemacht habe (zum Beispiel in Kambodscha), hätte ich sonst nie knüpfen können. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber als es darum ging ein Thema für die Masterarbeit zu finden, habe ich schnell gemerkt, dass ich hier schnell an meine Grenzen kommen würde, wenn ich kein Thema finde, was mich wirklich sehr fesselt.
Warum sind Memes, 9GAG, viral videos etc, bloß so unfassbar lustig?
Mich hat zu der Zeit (damals 2012 wie eigentlich heute noch) wirklich sehr stark die Frage beschäftigt, warum ich eigentlich so süchtig nach lustigen Internetbildchen, videos etc. bin. Man hängt ja praktisch ständig davor. Und warum es mich so unglaublich fasziniert was das Internet aus den Inhalten Neues macht, Dinge kombiniert und wie sich alles verändert.
Da ich in meinem Journalismus-Studiengang eine medienwissenschaftliche Masterarbeit schreiben musste habe ich mich zu folgendem Ansatz entschlossen:
Der Begriff Mem (deutsch für meme) wurde 1976 in dem Buch „The selfish gene“ von Richard Dawkins etabliert. Es ging ihm darum ein Wort zu finden, mit dem sich erklären lässt, wie sich kulturelle Ideen (wie Handwerk oder Religion), ähnlich der „Gene“, fortpflanzen. Je nach Dominanz pflanzen sich bestimmte Bräuche und Techniken fort, z.B. der Ackerbau war in der Menschheitsgeschichte erfolgreich. Vielleicht gab es auch mal die Idee Schafe am Meeresgrund zu züchten, welche dann aber in diesem Fall wegen mangelndes Erfolges, um nicht zu sagen Idiotie, ausgestorben ist.
Dieses Buch und weitere Bücher zu Thema bieten die wissenschaftliche Grundlage zur Idee der Verbreitung von Ideen, oder in meinem Fall von Bildern und Videos. Weil es mir im speziellen um lustige Inhalte geht, habe ich deren Humor und Wirken Anhang eines Buches von Kabarett-Theorie analysiert. Zu guter letzt zeigt die Arbeit dann noch, wie unsere technische Entwicklung, also das Internet, die Fortpflanzung von Memen (eigentlich von lustigen Bildern, aber auch kulturellen Ideen, Handwerk und wissen generell) unglaublich vereinfacht hat und wie das Internet und ihre vielen Nutzer mit zu viel Zeit an der Hand, den Memen hilft, sich zu weiterzuentwickeln. Wie auch in der Biologischen Evolution, hilft das nämlich den Inhalten auch dabei „am Leben zu bleiben“, also weiter im Internet geteilt zu werden. Wegen damals mangelnder Sekundärliteratur zum Thema Memen habe ich mich für die Arbeit dann noch mit dem Berliner Internet-Publizisten und Mem-Experten Christian Heller zusammengesetzt und ihn zu diesem Thema befragt.
Die Arbeit ist auf der einen Seite ein bisschen outdated, heute redet z.B, keiner mehr online über Kurzzeit-Bundespräsident Christian Wulff. Memes and Gags haben sich weiterentwickelt, oder mussten neueren Dingen weichen, klar. Auf der anderen Seite könnte diese Analyse aktueller nicht sein, weil sie die Prinzipien der Meme an einfachen, anfänglichen Beispielen erklärt.
Jeder der sich für virale Inhalte im Internet interessiert oder im speziellen Memes mag, findet die ein oder andere Erklärung für die Entwicklung für erfolgreiche Memes. Außerdem zeigt die Arbeit auch, wie sich unsere Informations-Welt von kuratierten Inhalten eines Tageszeitungsredakteurs zu selbstkuratierten Inhalten verändert.
Schaut mal rein, und wenn ihr euch auch nur die lustigen Bildchen anschaut:
„Wir denken vielleicht , all dieser Fortschritt sei für unser persönliches Glück geschaffen und tatsächlich mag es sein, dass wir unser memreiches Leben manchmal sehr genießen, doch die wahre Triebkraft hinter all dem ist der Eigennutz der Meme.“ – Susan Blackmore
In der Wissenschaft ist die Ursprüngliche Idee der Memetik umstritten, weil Meme empirisch nicht konkret als Einheit messbar sind und Gedanken und Ideen damit nicht als vollwertiger Replikator gelten können. Mit dem Internet hat sich ein Umfeld entwickelt, in dem diese Theorie allerdings gut anwendbar ist. Internetbilder sind digital und die Verbreitung und Popularität bis zu einem gewissen Grad messbar, beispielsweise durch Statistiken von Googlesuchanfragen. Dem Evolutionsbiologen Richard Dawkins zufolge liegt bei Replikatoren, Meme sowie Gene, eine Art eige- ner egoistischer Drang zur Replikation vor. Angewandt auf die Meme bedeutet das, dass sich zum Beispiel unsere Sprache und damit unser gro- ßes Gehirn deshalb entwickelt haben, damit wir noch mehr Meme, mit noch genauerer Kopiergenauigkeit weitergeben können.
Denkt man diese Theorie weiter, dann ist das starke Mitteilungsbedürfnis der Menschen als Drang der Meme zur Replikation zu identifizieren. Wir erfinden immer neue, immer schnellere Möglichkeiten uns miteinander, also unsere Meme, auszutauschen. Was in der Memetik „Handlungsanweisungen“ sind, die durch Imitation weitergegeben werden, sind im Internet Texte, Bilder, Videos, und Webseiten. Über das Internet wandern Meme in Sekundenschnelle um die ganze Welt. Im ursprünglichen memetischen Sinne sind alle Texte, Bilder und Videos im Netz Meme, im Inter- net hat sich der Begriff Mem aber als Wort für ein viel beachtetes, sehr populäres Internet-Phänomen etabliert.
Um unser Interesse zu wecken und vermehrt weitergereicht zu werden, müssen Meme in uns Internetnutzern Affekte auslösen. Es hat sich gezeigt, dass erfolgreiche Meme vor allem Elemente der Witzigkeit, Niedlichkeit, Ekel oder des Schockes aufweisen. Mit den Entwicklungen des WEB 2.0 ist es immer einfacher geworden Inhalte ins Internet zu stellen. Es ist nicht mehr Redakteuren vorbehalten zu bestimmen, was wir lesen, es können auch Privatpersonen Inhalte ins Netz stellen, die unter Umständen hohe Popularität und Einfluss erreichen. Mit dem Prinzip des Imageboards hat sich eine sehr fruchtbare „Brutstätte“ für Meme entwickelt. Hier werden private Fotografien, Bilder von Personen des öffentlichen Lebens, Zeichnungen oder Filmausschnitte anonym hochgeladen. Diese werden dann von anderen Nutzern aufgegriffen, mit Bildbearbeitungsprogrammen ergänzt, manipuliert und kombiniert. Reift so ein Bild heran, was durch die genannten Reizelemente genug positive Resonanz erweckt, kann man von einem Mem sprechen. Irgendwann schafft dieses den Sprung von dieser Sphäre auf die der kommerziellen Webseiten, die aus den Millionen Bildern eine Auswahl kuratieren. Entweder schöpfen Mitarbeiter dieser Seiten die Meme aus den Imageboards ab, oder die Nutzer der Seiten laden sie selbst hoch.
Eine der wichtigsten Techniken der Mem-Macher ist die Rekontextualisierung. Verschiedene Inhalte der Popkultur werden so kombiniert, dass dadurch eine satirische Verunglimpfung entsteht. Der Humor kann nur dann verstanden werden, wenn der Betrachter den nötigen Wissenszusammenhang mitbringt. Wenn man das Internet als Bühne betrachtet, dann lassen sich Parallelen zwischen Memen und dem klassischen Kabarett ziehen. Parodien und Entlarvungen sind typische Elemente mit denen die Meme spielen. Während Satire für das Kabarett eine scharfe Waffe der politischen Kritik ist, sind Meme allerdings nur bedingt politisch. Weil sie aufgrund der hohen Konkurrenz sehr schnell verständlich sein müssen und meist nur auf den schnellen Lacher abzielen, kann man mit ihnen keine längeren Geschichten erzählen. An den aktuellen Memen, kann man aber durchaus eine Art Stimmung der Internetgemeinde zu bestimmten, auch politischen, Themen ablesen. Der Prozess der Satire ist nicht mehr nur den klassischen Medien vorbehalten. Anonyme Foren lassen Kreativität ohne Angst vor Konsequenzen zu. Uns erreichen in den meisten Fällen nur Bilder, die eine große Zustimmung finden, sonst würde sie keiner weiterversenden und sie würden aus dem kollektiven Gedächtnis der Internetgemeinde verschwinden. Populäre Meme (wie beispielsweise #wulfffilme) lassen Erkenntnisse über die Themen zu, welche die Netzgemeinschaft gerade beschäftigen.
In einer weiterführenden wissenschaftlichen Untersuchung wäre es inte- ressant zu untersuchen, welche Folgen die fehlende Urheberschaft für diese Form der Kunst hat. Des Weiteren würde es sich lohnen sich die Meme näher anzuschauen, die immer wieder den Sprung vom Medium Internet in die realen Welt schaffen – und umgekehrt. Einerseits habe ich gezeigt, dass einige Meme, wie beispielsweise das Trollface, auch im Stadtbild zu finden sind, andersherum werden viele Fotografien des Streetartkünstlers Banksy im Internet geteilt und dadurch selber wieder zu einem Mem.
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