Ich sitze in einem Café am Strand in Kep, Kambodscha. Es ist ein ruhiger Tag und nur ein paar Leute sind am Strand. Die Touristen brutzeln in der Sonne vor sich hin, die Kambodschaner sind, wie immer, mit Jeans und T-Shirt im Wasser. Ein Müllwagen hält vor dem Café und für ein paar Minuten stinkt es nun bestialisch. Dann zieht der Wagen weiter die Straße hoch. Dort müssen die Müllmänner erst mal ein paar Äffchen verscheuchen, bevor sie einladen können.
Es ist bewölkt heute. Nur in der Ferne brechen in paar Sonnenstrahlen durch die Wolken und strahlen genau auf eine der Inseln. Ist das ein Zeichen, gibt es dort etwas Besonderes? Jedenfalls kümmert sich hier niemand darum. Ich bin froh um den bedeckten Tag. Denn es es weht eine leichte Brise und es ist ausnahmsweise mal nicht unerträglich heiß. Sonst ist es hier um die Mittagszeit nicht zum Aushalten. Selbst das aufrechte Sitzen ist schon eine Kraftanstrengung und man schwitzt so vor sich hin. Auch das Wasser im Meer ist pupswarm und kein bisschen erfrischend.
Guter Café ist nicht leicht zu bekommen hier
Vor mir steht ein Cappuccino, die Schaumkrone sieht wie dreckiger Novemberschnee aus und das Pulver schmeckt alt. Aber diese Bar ist der einzige Ort in Kep, an dem es einigermaßen vernünftigen Café gibt. Und auch die Aussicht auf den Strand kann sich sehen lassen. Das einzig wirklich belastende hier ist der holländische Besitzer. Er lebt seit 12 Jahren in Kambodscha und manchmal frage ich mich warum. Denn er hat wirklich kein einziges positives Wort für das Land übrig. Er schimpft in einer Tour über die Korruption, die Überfischung und die Unachtsamkeit gegenüber der Natur hier. Mit den meisten Dingen hat er nicht mal Unrecht. Aber er spricht mit einer verachtenden Arroganz, die man wahrscheinlich nur versteht, wenn man hier viele Jahre gelebt hat. Ich finde seine abfällige Art nicht zum aushalten und hoffe jedes Mal, dass gerade nicht da ist.
Dieses Glück ist mir heute aber wieder nicht vergönnt. Er grüßt und setzt sich zu mir. Was soll ich machen, er ist ja der Besitzer. Da ich ein bisschen holländisch spreche, hatten wir uns anfangs gleich gut verstanden. Bis ich seine Monologe das erste Mal gehört habe. Er lädt mich auf eine Cola ein, was ich nett finde und denke, vielleicht ist er ja doch nicht so schlimm. Dann setzt er aber zum heutigen Vortrag an. Thema: „Kambodschaner sind das einzige Volk, dass aus Gold Scheiße machen kann!“ Ich verschlucke mich direkt und etwas Café schießt mir in die Nase.
Die Chinesen kommen nach Sihanoukville
Es geht um den Strandort Sihanoukville. Nachdem die Russen diesen Ort eigentlich fest in ihrer Hand hatten (sogar die Menüs sind überall auf russisch) übernehmen nun langsam, aber sicher, die Chinesen die Touristenhölle. Diese Kaufen Land und Häuser und treiben die Einheimischen aus Ihren Betrieben. Es entstehen gerade über 20 neue Casinos (in China ist das Glücksspiel verboten) und man merke deutlich die Touristenschwärme, sagt der Holländer. Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie krass man drauf sein muss, um die Russische Mafia zu vertreiben:
*Die Chinesen treffen ein.
Russen: „Hey Chinesen! Was wollt ihr hier? Uns gehört dieser Ort, verpisst euch!“
*Ca. eine Million weiterer Chinesen kommen.
Russen: „Dimitri! Igor! Es sind zu viele, Rückzug!“
Nicht, dass Sihanoukville (benannt nach dem alten König Sihanouk) nicht vorher schon schwierig war. Der Hauptstrand, „Serendipity-Beach“ ist voll von den immergleichen, dreckigen Bars, in denen 18jährigen Australier ihr Erwachsenwerden feiern. Ich bin dort mal an einem frühen Abend an der Strandpromenade essen gewesen und ungefähr zwei Drittel der Besucher der sonst leeren Bars waren leicht bekleidete und viel zu stark geschminkte Kambodschanerinnen. Es waren Duzende. Man kann es eigentlich nur an den Stränden „Otres I“ und „Otres II“ aushalten. Dort ist es nach wie vor schön.
Was den holländischen Hotelbesitzer am meisten ankotzt ist, dass sich der Bürgermeister und Polizeichef dort die Taschen mit Geld vollstecken und (damals den Russen und jetzt) den Chinesen freie Hand lassen. Während diese also nun Millionäre sind, werden die einfachen Bewohner aus der Stadt getrieben. Wenn man sich anschaut, wie hier die teuren, großen Autos an den zahnlosen Bettlern vorbeifahren, dann ist sicher was dran, an dem Frust des Holländers. Und er hofft, dass Kep noch eine Weile von dieser Entwicklung verschont bleibt.
Mein Café ist nun alle und ich will noch ein bisschen schreiben. Der Holländer packt seine Sachen und zieht weiter. Den Farbflecken auf seinem Shirt nach, ist er gerade dabei etwas zu streichen. Eigentlich ist er ja ganz nett und der holländische Akzent niedlich. Aber er hat leider die Achtung vor dem Land verloren.
Michael Timm
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