Ich erlebe gerne neue Sachen, besuche neue Orte, immer auf der Suche nach kleinen witzigen Details. Ich bin ja kein Gourmet, Essen ist für mich vor allem Nahrung, die gesund und effektiv sein soll. Manchmal bleibt da der Genuss auf der Strecke. Deswegen war ich mir nicht sicher, was ich von solchen Tastings halten werde, die ja eher was für den Feinschmecker sind. Dachte ich mir. Denn Tastings sind tolle Orte, um neue Geschmäcker zu entdecken und mit ihnen die Geschichten, die (in diesem Fall) hinter dem Rum und Käse stecken, die man kennenlernt.
Käse und Rum Tasting – Was für eine Mischung
Die Kombinations-Idee überzeugte mich nicht sofort. Vor allem weil ich eigentlich nicht so ein Käse-Freak bin. Das krasseste was bei mir an Käse normalerweise auf den Tisch kommt ist Gouda mittelalt ohne Rinde, der Gute von Edeka..
Dass der Abend aber doch ein voller Erfolg war, zeigt vor allem die Tatsache, dass ich am Ende alle meine Notizen, die ich für diesen Artikel brauche, dort vergessen habe. So geht professionelles Bloggen! Aber hier ist woran ich mich von dem Abend erinnere:
Der Abend lebt von den Geschichten
Das war mittlerweile das dritte Tasting, das ich mitgemacht habe und mittlerweile habe ich verstanden, worin der Reiz solcher Veranstaltungen liegt. Klar sind die Alkoholika auch gut, aber seien wir doch mal ehrlich: Ich hab von Rum genauso viel Ahnung wie von Eisstockschießen und kann eigentlich nur sagen, ja schmeckt, oder nein schmeckt nicht. Was Tastings aber schön macht ist das Ambiente, wenn man mit Freunden im Kreis bei Kerzenschein sitzt, die kleinen Sniffer-Glässchen scheinen im Licht wie das schönste Glasperlenspiel und man und man lauscht gebannt den Geschichten über die Spirituosen..
Diese Geschichten, wenn sie gut erzählt sind, tragen einen dann z.B. in die Karibik und plötzlich steht man dort am Strand der Cayman Islands und sieht, was die Macher vom „Seven Fathom“ Rum dort gesehen haben. Nämlich wie dort in einer Bucht ein altes Schiffswrack geborgen wurde. Und sie fanden damit nicht nur ein Schiffsskelett, dass nun von Wasser triefend und mit Seetang bewachsen am Strand lag, sondern es befand sich ein kleiner Schatz an Bord. Nämlich ein großer Vorrat an alten Champagnerflaschen. Der Fusel schmeckte noch immer fantastisch, ja besser als zuvor, und sie erklärten sich das damit, dass die Seelagerung etwas mit dem Sprit machte. So suchten sie sich eine Brennerei, die dort einen Rum machte, den sie dann auch zwei Jahre in 12,5 Meter Tiefe am Meeresgrund lagern ließen. Das Ganze passiert in kleinen Käfigen, die immer woanders liegen, damit auch keiner auf die Idee kommt, sie zu klauen.
Bei so einer Geschichte freut man sich auf den Rum, der zusammen mit den „Trüffeltraum-Käse“ auf einem kleinen Holzbrett gereicht wird. Meisterkäser Fritz Lloyd Blomeyer bringt einen zarten Brie mit einer blaugrauen Trüffelschicht in der Mitte. Zuest trinkt man in diesem Falle den Rum, der bildet dann die geschmackliche „Leinwand“ für den Käse. Ich bin beeindruckt von der Sprache dieser Leute. Und die Combo schmeckt.
Der nächste Rum wird serviert, von Rumbotschafter Dirk Becker. Er trägt ein Karibik-Hemd. Gehört wohl zur Marke. Es gibt über 16.000 verschiedene Rumsorten, mehr als bei jeder anderen Spirituose. Trotzdem hat Rum noch nicht den Status des Whiskeys, was aber gut ist. Whiskey hat mittlerweile einen Hype erreicht, bei dem sich die Preise nicht mehr rechtfertigen lassen, findet Dirks Kollege Nico.
Rumtrinken ohne zu erblinden: Währen der Prohibitions-Zeit in Amerika
Der nächste Rum kann mit einer ganz besonderen Geschichte aufwarten. Sie trägt uns zurück an den Anfang des 20. Jahrhunderts in Amerika. Es ist die Zeit des Alkoholverbots. Bill McCoy war arbeitslos und um sich selbst einen Job zu schaffen, importierte er Rum aus der Karibik und verkaufte ihn von seinem Schiff aus an der Küste von New York. Der Name „The Real McCoy“ kam daher, dass dieser Rum, reiner Rum aus der Karibik war, im Gegensatz zu dem illegal gepanschten Zeug, was man so so bekam. Da musste man keine Angst vor erblinden haben, das war the real stuff. Über diese Geschichte wurde auch ein Dokumentarfilm gedreht, den man auf der Real McCoy Seite kostenlos anschauen kann.
Youtube Trailer:
Der Rum hat eine kleine Kokosnote, was dadurch erreicht wird, dass man alte Bourbon-Fässer über dem Feuer leicht röstet. 60-70% des Geschmacks im Rum kommen aus den Fässern. Darin lagert der Stoff dann 12 Jahre. Ein echter Rum darf übrigens ausschließlich in Eichenfässen gelagert werden.
Gute Kombinationen
Rumbotschafter und Meister-Käser haben die Kombinationen durchs Ausprobieren und nach Gefühl ausgewählt. „Sooo wichtig kann das doch nicht sein…“, haben wir uns gedacht und einfach mal den Real McCoy mit dem ersten Trüffelkäse probiert. Und es hat wirklich überhaupt nicht gepasst! Ich musste mich richtig schütteln und wir überlassen das kombinieren nun weiter lieber den Fachmännern. Es gibt eine kleine Gruppe Menschen, die sogenannte Super-Taster sind. Ungefähr 5% der Menschen macht das aus. So wie jemand ein absolutes Gehör hat, so haben manche Menschen ein besonderes Gefühl für Aromen. Wir haben es wohl mit zwei solchen hier zu tun.
Der „beste Rum der Welt“
Der Beste? Das ist natürlich eine starke Behauptung. Aber wer hier dahintersteckt ist schon eine Hausnummer. Francisco “Don Pancho” Fernandez ist ein wahrer Masterblender aus Kuba, der unter anderem für Havanna Club gearbeitet hat. Als aber der große Konzern Ricard 80% der Firmenanteile erwarb und die Destillen auf kommerzielle Massenproduktion umstellte, verließ Don Pancho Kuba, um sich in Panama neuen Projekte zu widmen. Im Alter von 75 Jahren schenkte er sich praktisch selbst sein eigenes Meisterstück, ein Rum ganz nach seinen Vorstellungen, so wie Rum sein soll. Der 18 Jahre alte Rum hat 40% und ist geschmacklich unglaublich komplex, ohne eine bestimmte dominante Note. Mit einem Preis von ca. 80€ ist er im Hochpreissegment, zu Recht, wenn meine Wenigkeit dazu auch etwas sagen darf. Das ist ein Guter.
Dazu gab es einen veredelten Blauschimmelkäse, mit einer Lakritznote und kleinen Schoko-Nips oben drauf. Wenn ich das jetzt so schreibe, dann kommt mir das auch seltsam vor. An diesem Abend haben wir aber so viele verschiedene Dinge vorgesetzt bekommen, die ich noch nie gesehen hatte, dass ich diese Schimmel-Schoki-Lakritz-Kombo ohne Protest hingenommen habe. Vielleicht lag es auch an den fünf Rum davor.
Der Käse sieht ein bisschen aus, wie eine Torte und schmeckt, zusammen mit dem „Meister-Rum“ sehr gut.
Die Käse-Stories können irgendwie nicht mit den Rum mithalten
Das liegt wohl in der Natur des Produktes. Ein Kuhstall hat nicht den gleichen Sex-Appeal wie ein Piratenschiff in der Karibik. Und man isst sich nicht mit Käse Mut an, um Frauen anzusprechen. Aber einer hat mich wirklich begeistert. „Jetzt gibts aufs Maul“, sagt Blomeyer, als er uns den Käse aus Lindau in Sachsen-Anhalt serviert.
Einen Roquefort-Blauschimmel-Käse, von echten Schafen aus der Region Roquefort in Frankreich. Extra importiert. Als unser Käsermeister den Hof besichtigte musste er sich einen Schutzanzug anziehen bevor es in den Stall ging. Einen Schutzanzug? Anscheinend handelt es sich bei diesen Roquefort-Schafen um kleine Diven. Kommt ein fremder Geruch in den Stall, verfallen die zartbesaiteten Schafe sofort in und Unruhe und Panik. Das kann, je nach Störung wohl, dazu führen, dass sie nicht mehr essen, bis hin zum Umfallen und Tod. Der Hof hat extra verschiedene Futterstellen über die Weide verteilt, damit die Feinschmecker sich nach Lust und Laune bedienen können. Ganz die Franzosen halt.
Rum aus dem Hause Mitsubishi mit 50 PS
Und zu dem scharfen Käse gibt es einen scharfen Rum. „Nine Leaves“ ist ein Rum aus Japan und brennt uns mit 50% Alkohol nun die verkästen Geschmacksknospen wieder frei. Ein Sohn aus der Mitsubishi-Familie hatte genug von Autos und ließ sich in verschiedensten Ländern in der Kunst des Rumbrennens unterrichten. Im Süden Japans wird sowieso sehr viel Zuckerrohr angebaut. Rum kann man dann entweder aus dem frisch gepressten Saft machen oder aus der Melasse, die eigentlich ein Abfallprodukt der Industrie ist. Für diesen Rum werden jungfräuliche französische Weicheichenfässer verwendet, die dem Sprit einen Apfel-Birne-Zitrus-Frucht-Nougat-Note geben. Also das sind die Worte des Rumbotschafters, ich finde der Rum ist sehr stark und hat vor allem eine Alkohol-Note…
Mein Magen ist ein bisschen überfordert, aber es war ein guter Abend
Mein Magen sagt mir unmissverständlich: „What the fuck, dude! Was war denn heute Abend los?!“ So eine Mischung gab es selten und ich bin ja wie gesagt kein Käse-Enthusiast. Aber ich bin glücklich so neue Geschmackswelten kennengelernt zu haben. Und alleine schon die Geschichte mit den hypochondrischen Schafen war die Sache wert.
Was ich von dem Abend mitnehme, ist dass ich einfach darauf stehe, neue Sachen zu lernen, aus Bereichen, mit denen ich sonst nichts zu tun habe. Die Geschichten zu dem Käse machen ihn viel lebendiger und mit etwas Phantasie schmeckt man die Alm und den Lagerungskeller heraus. Und Rumtrinken, wenn man weiß, dass er zwei Jahre am Meeresgrund gelagert hat, macht einfach richtig Spaß.
Wer das selbst mal ausprobieren möchte, dem würde ich empfehlen mit einer kleinen Gruppe ein privates Tasting zu vereinbaren, die gemütliche Atmosphäre mit Kerzenschein im Rum-Depot geben den Geschichten des Alkohols eine noch bessere Leinwand.
Bei Interesse gibt’s hier den Kontakt:
Rum Depot
Nicolas Kröger / Daniel Thater GbR
Apostel-Paulus-Straße 35
10823 Berlin
Tel.: 030 77008811
Blomeyer`s Käse
Pestalozzistraße 54A,
10627 Berlin
030 23926440
Michael Timm
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