Spontan hätte ich gesagt, dass Gin keine Spirituose ist, die man so whiskeymässig genießt, weil Gin pur nicht so in dem Sinne lecker ist. Da sollte ich auch recht behalten. Weil ich aber durchaus Gin-Tonic-Fan bin und man von Gin sehr lustigst betrunken wird, haben wir uns entschlossen im Berliner Rum-Depot Nähe Winterfeldplatz ein Gin-Tasting mitzumachen. Hier ist, was ich davon noch erinnere.
Im Rum Depot sitzt man bei Kerzenlicht auf gemütlichen Stühlen im Kreis. Jeder „Gin-Gang“ wird in einem neuen Glas rumgereicht, so dass der Tisch bei sieben Personen schon nach zwei Gin nach einem Riesengelage aussieht. Es sind so typische Nosing-Gläser, wobei man nicht so connaisseur-mässig am Gin riecht. Das ist scharfer Alkohol, der einem sonst schnell die Geruchsknospen wegbrutzelt.
Das erste Glas erschreckt mich erstmal. Ich hab mir schon gedacht, dass Gin nicht so „lecker“ wird wie jetzt z.B. der Rum vom letzten Tasting. Aber was ich hier vor mir hab ist nur um Weniges besser als Nagellack. Aber gut, denke ich, runter damit, der nächste wird bestimmt besser.
Unser Barchef des Abends, Nico, beginnt nun offiziell das Tasting:
„Als erstes habe ich euch mal ein Glas Neutralalkohol eingegossen, so wie er als Basis für jeden Gin verwendet wird. Schritt für Schritt nähern wir uns jetzt dem Gin an.“
Alle schauen jetzt mich an, ich bin der einzige, der den Nagellackschnaps ausgetrunken hat.
Basis: Neutralakohol
Neutralalkohol ist die Basis von jedem Gin, dazu werden dann Gewürze und Kräuter gemischt und dann wird noch mal destilliert. In Deutschland muss man den Alkohol von Staat kaufen, wegen der Reinheit. Früher haben sich Leute regelmäßig totgesoffen, weil der selbstgemachte Alkohol so schlecht war. Der Trend zur Reinheit und Edel des Alkohols ist gar nicht mal so alt, sagt Nico. Was wir wollen ist der pure Ethylalkohol, der in dem Destilationsprozess bei 78,2°C kondensiert. Alles was da rundherum kondensiert sind Fuselstoffe, die Kopfschmerzen verursachen, wenn nicht gar Schlimmeres. Aber früher wusste man das alles nicht so ganz genau und außerdem bekommt man natürlich mehr Alkohol raus, wenn man auch das Destillat der anderen Siedetemperaturen mitnimmt. Das ist wirtschaftlicher und knallen tuts ja auch. Richtige Premiumprodukte destillieren sogar den Staatsalkohol noch weiter, um einen noch softeren Geschmack zu erreichen. Das wollte man früher gar nicht, da musste es kantig schmecken, sonst dachte man, der Alkohol ist gepanscht.
Erstmal: Kräuter- und Pflanzen-Mazerat
In den nächsten beiden Schritten gießt uns Nico zwei Gläser mit jeweils einem Kräuter- und einem Pflanzen-mazerat ein. Das riecht schon mal nicht schlecht, trinken kann man das aber immer noch nicht. Davon kriegt man sonst später Rosen-Rülpse.
Mazerieren ist das Einlegen in Alkohol von, in diesem Fall Kräutern, um das Aroma herauszulösen. Ich muss spontan an das Buch „Das Parfum“ denken und stelle mit vor Patrick Süßkind hätte dann noch das Buch „Der Suff“ geschrieben: Die Geschichte eines Mannes, der Menschen tötet und in Alkohol einlegt um den besten Suff aller Zeiten zu kreieren. Das Buch endet mit einem Massenbesäufnis. Oder einem Gin-Tasting.
1. G’Vine Gin
Der erste Richtige Gin des Abends ist der französischer G’Vine und der ist wiederum eigentlich keine „richtiger“ Gin, weil die Alkoholbasis zu 50% Aus Getreide und zu 50% aus Trauben stammt. Außerdem ist er angereichert mit Weinaromen. Dadurch schmeckt er auch sehr würzig, floral – aber wenn ich das jetzt sage, vergesst bitte nicht, dass ich keine Ahnung habe. Ich hab mal vorsichtshalber gegoogelt und muss jetzt doch ein bisschen über die Beschreibungen lachen:
Aroma: Wunderbar süßlich floral, würzig.
Geschmack: Rund und zart. Im Vordergrund florale Aromen der Weinblüten, gefolgt von Wacholder, Kardamom und Ingwer.
Abgang: Extrem lang, knusprig und trocken.
Jep, der Abgang ist auf jeden Fall knusprig und trocken. Kann ich bestätigen 😀
2. Friedrichs Dry Gin
Wärend uns der nächste Gin eingegossen wird, entscheide ich mich einen Blogpost aus dem Tasting zu machen und tippe wild Notizen in mein Handy. Die anderen Fragen: „Micha, schreibst du Protokoll heute, ja?“ Ich: „Nein, das sind Notizen für den Arzt später.“
Der Friedrichs Dry Gin ist ein deutscher Gin. Er wird nach den Regeln des „London Gin“ produziert, also es darf nur das reine Destillat des Wacholder-Mazerates ohne späteren Zusatz von Farb- oder Aromastoffen. Dreifach destilliert, steht auf der Webseite. Es ein klassischer Gin, der sehr blumig schmeckt.
Hedricks Gin
Den hatten wir gar nicht beim Tasting, haben aber danach gefragt, weil wir den schon oft in Bars in Berlin gesehen haben. Nico eröffnet uns (wir sind ja mittlerweile Gin-Vollprofis), dass der Hendricks so in Deutschland gar nicht hergestellt werden und sich Gin nennen dürfte. Da ist nämlich mehr als die erlaubten 0,1g Zucker auf den Liter drin, außerdem ist er nacharomatisiert. Wir rümpfen natürlich alle die Nase.
3. Haymann’s Gin (Old Tom)
So langsam sind unsere Geschmacksknospen betrunken und ich kann nur noch sagen, dass der Heymann Gin sehr ordentlich war. Haymann London Dry Gin ist ein klassischer London Dry Gin aus England. Sein kleiner (oder großer?) Bruder, der Haymann Old Town hat wiederum mehr Zucker zugemischt, was mir persönlich besser geschmeckt hat.
4. Gin H.G.S.B.
Ein sehr wacholderlästiger Tropfen, der mit persönlich schon fast „zu sehr nach Gin schmeckt“. Aber ich halte mich lieber zurück mit meiner Meinung, weil dieser Gin von Nico ganz persönlich zusammengestellt und bei einer Destellerie, seinen Vorstellungen nach, gebrannt wird. Und weiles ihm nicht an Selbstbewusstsein mangelt, gab er dem Gin den Namen H(ow).G(in).S(should).B(e).
5. Alambic’s Special Caribbean
Jetzt wird’s wild. Das ist ein 15 Jahre gereifter Gin. Das macht so erstmal keinen Sinn, weil Gin ja wie gesagt auf Ethylalkoholbasis produziert wird, da wird eigentlich nichts besser oder schlechter über die Zeit. Es gibt ja auch (soweit ich weiß) keinen 7 Jahre alten Vodka, der besonders teuer ist. Aber der Alambic’s ist 15 Jahre in einem Bourbon-Fass gereift. Und dann noch mal sechs Monate in einem Rum-Fass. Er riecht also ein bisschen wie ein Whiskey, hat also dieses rauchige, schmeckt auch so, aber es ist halt trotzdem noch ein Gin. Und diese Mischung passt meiner Meinung nach gar nicht. Die 62,5% Alkohol brutzeln auch gut.
Die üblichen Verdächtigen
Das Tasting ist damit erstmal beendet, aber wir fragen noch nach den üblichen Verdächtigen. Nico meint, dass der Saphire Bombay und Gordons zwar sehr bekannt und verbreitet sind, aber nicht viel taugen. Beefeater und Tanqueray seien aber wohl ganz ordentliche Gins. Ansonsten sieht man ja immer mehr den Monkey 48 aus dem Schwarzwald, der sein auch nicht übel.
Warum eigentlich Gin-Tonic?
Die Legende besagt, dass die Engländer ihren Gin bei den Kolonialkriegen dabei hatten und in Indien haben sie damals als Malaria-Therapie stark chinin-haltige Toniclimonade getrunken. Und um den bitteren Geschmack zu mildern, haben sie das Tonic mit ihrem Gin gemischt. Die Rückkehrer haben dieses Rezept dann mit nach England gebracht. Das probieren wir natürlich auch gleich aus, ob wir den Tonic-Geschmack (und unseren Durst) mit unserem Gin hier gemildert bekommen.
Die Lieblings-Tonics zum Mischen unseres Barchefs sind: Fever Tree, Thomas Henry und, ganz überraschend: Schwepps.
Nach dem Tasting stolpern wir aus dem Rum Depot. Es war ein interessanter Abend und entgegen unseren Erwartungen sind wir nicht völlig betrunken. Gin macht halt eher so leicht und lustig betrunken und man fühlt sich nicht so schwer und besoffen danach, finde ich. Aber wir haben natürlich auch gute Alkoholika genossen und – na klar – am Ende machte die Menge.
Bei Interesse gibts hier den Kontakt:
Rum Depot
Nicolas Kröger / Daniel Thater GbR
www.rum-depot.de
Apostel-Paulus-Straße 35
10823 Berlin
Tel.: 030 77008811
Michael Timm
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