Letztens saß ich am Schreibtisch und im Hintergrund lief Spotify. Es lief meine „Mit Star bewertet“-Playlist. Songs, die ich als gut befinde und dort speichere. Es lief ein guter Song. Er machte gute Laune und ich wippte ein wenig mit dem Fuß dazu. Dann schaute ich auf den Interpreten und ihr glaubt nicht was dann geschah…
Wie wir früher Musik hörten
Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, da hatte ich nur eine Lieblingskassette, die ich mit meinem Walkman rauf und runter hörte. Ich hatte sogar einen echten Walkman von Sony. Meine Kopfhörer waren nicht schlecht, sie saßen gut und klangen gut. Nicht wie diese wackeligen Scheißdinger, die man oft hatte, wo nur ein schmaler Alubogen diese zwei wackeligen Ohrmuscheln am Kopf hielt, von denen ständig diese Schaumstoffmuffen verlorengingen. Nur die ganz harten, haben dann auch ohne diese Muffen weitergehört.
Und ich hatte eine Lieblingskassette. Sie war immer dabei. Auf der einen Seite war das Unplugged Album von Nirvana. Die anderen Alben waren mir zu laut, Ich mochte eigentlich nur die Unplugged-Songs. Aber die habe ich vergöttert. Auf der anderen Seite der Kassette war ein Album von den „Presidents of the United States of America“. Eine der 90er Punk-Pop-Bands. Ich muss dabei immer an eine Situation denken. Urlaub in Deutschland mit meiner Mutter. Sie fuhr, ich saß im Auto auf dem Beifahrersitz. Ich schaute aus dem Fenster und überlegte: wie schaffen es Menschen nur, so gute Musik machen?
Damals waren wir doch alle noch Musik-Nazis. Ich hatte eine feurige Allerigie gegen alle Popmusik. Es ekelte mich an, wenn bei meiner Oma 104,6 RTL lief und irgendjemand sagte, „mach mal lauter, das Lied ist so toll“. Also nicht aller Pop war schlimm. Michael Jackson ging immer. Ich konnte sogar relativ überzeugend moonwalken, wenn es darauf ankam. Nichts war dem Zufall überlassen, ich hatte meine Kassetten, und irgendwann die ersten CDs.
Spotify macht faul
Heute ist das alles anders. Ich will gar nicht unsere Zeit verantwortlich machen. Ich bin ja selbst schuld. Sind wir alle älter geworden? Ist Musik plötzlich nicht mehr so wichtig? Spotify hat mich faul gemacht.
Im Hintergrund läuft die „Happy Beats“ Playlist. Manchmal, wenn ich einen Song höre, der mich berührt, dann speichere ich ihn auf meiner persönlichen Playlist. Da sind schon ganz gute Sachen dabei. Manchmal weiß ich garnicht wie der Interpret oder Song heißt. Ich weiß nur ungefähr welche Höhe in der Playlist er steht. Diese langsame Veränderung des Musikhörens ist mir erst so richtig aufgefallen, als ich unter den von mir gespeicherten Songs etwas unglaubliches entdeckte. Ich hatte einen Song von Justin Bieber in der Playlist. Da hört der Spaß auf.
Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich letztens gelesen habe, dass der Song „Sorry“ von einem Musikmagazin zu einem der bestproduziertesten Songs des letzten Jahres gekührt wurde. Er hat einfach alle Elemente, die angesagt sind und entspricht mit seinem Tropical-House-Beat einer Formel, die gerade einfach angesagt ist. Völlig unabhängig davon, wer da jetzt singt.
Aber da hört das Problem mit Spotify nicht auf. Eine meiner Lieblingsplaylists im Moment heißt „Jazz for sleep“. Ich möchte von mir sagen, dass ich gerne Jazz höre. Aber wir kann ich mich denn Jazz-Connaisseur nennen und gleichzeitig eine Playlist hören, die ganz offensichtlich jemand gemacht hat, der sich dachte, alter, das ist so langweilig, dass man gleich einpennt. Jazz for sleep halt.
Gute alte Zeit der Minidisk
In diesem Zusammenhang muss ich nostalgisch an die Zeit der Minidiskplayer denken und an eine Geschichte auf die ich ein bisschen stolz bin. Ich hatte als einer der ersten in der Schule einen Minidiskplayer. Von Aiwa. Es war ein Traum. Man konnte sich Musik in CD Qualität kopieren. Ich hatte ein Minidisk-Deck für die Stereoanlage, an dem man sogar eine Tastatur anschließen konnte, um die Musiktitel einzugeben! Und damals eröffnete gerade das Kulturkaufhaus Dussmann in der Berliner Friedrichstraße. Dort konnte man sich unter Abgabe des Personalausweises einen Diskman ausleihen, einfach die CDs aus den Regalen nehmen und Probehören.
Da habe ich einfach 7 und 23 zusammengezählt und mir ein Doppelstecker-Kabel gekauft, mit dem ich den Ausgang von dem Diskman mit Dussmann CDs einerseits mit meinem Minidisk-Players im Rucksack andererseits verbinden konnte. Netter Weise war Dussmann ja auch noch voll mit Büchern, so dass ich als lesend, mit Kopfhörern, die nicht angeschlossen waren, ganze Nachmittage bei Dussmann verbrachte um mir CDs zu überspielen.
Irgendwann wurder ich aber, schwindelig vom Erfolg, unprofessionell. Hatte ich bisher nur Alben überspielt, fing ich nun an, mir Mix-CDs zusammenzustellen. Dieses stetige Gewechsele und die Griffe in den Rucksack waren wohl zu auffällig, denn bald tippte mir jemand auf die Schulter und sagte, das wir das doch jetzt mal lassen sollten.
Der Kaufhausdetektiv brachte mich in sein Büro. Er war sehr unaufgeregt und erklärte mir, dass das so nicht ginge. Irgendwie klaute ich ja nun mal die Musik. Aber die Technik ist noch so neu und ich sei einer der ersten, die das machten. Es gäbe also noch keine Rechtsgrundlage. Eigentllich wäre das geistiger Diebstahl oder so, aber er kann nichts tun, außer mir Hausverbot für ein Jahr auszusprechen. Sollte er mich noch mal bei Dussmann erwischen, könnte ich für Hausfriedensbruch dann angezeigt werden.
Auf diese Geschichte bin ich immer noch ein bisschen stolz.
Was machen wir jetzt mit Spotify?
Aber wie lösen wir jetzt das Spotify Problem? Ich habe kurz darüber nachgedacht, meinen Account zu kündigen und wieder meine MP3s rauszuholen. Aber meine Güte, man muss ja nicht gleich übertreiben. Spotify ist ja auch nur ein Medium und es liegt an uns, es richtig zu verwenden. Aber ich habe mir vorgenommen etwas mehr darauf zu achten was ich höre und eher wieder ganze Alben zu hören, anstelle dieser Spotify Mood-Playlists wie „Happy at Work“ oder so.
Ich will wieder mehr Bands hören, die ich supporte und die ich früher mochte. Und ja, ihr habt Recht, am besten sollte man die Musik von den Künstler direkt kaufen und Spotify den Rücken kehren. Aber dafür ist sind wir wahrscheinlich alle zu bequem.
Meine Lieblingskassette
Und aus Gründen der Nostalgie sind hier noch meine beiden Lieblingssong von meiner Kassette, einmal „Oh me“ von der Nirvana Unplugged Seite (eigentlich von der Band „Meat Puppets“, die mit Nirvana befreundet waren und auch Teil der Band auf dem Unplugged Album waren).
Ach fuck, eigentlich waren alle Songs geil.
Und auf der anderen Seite die Presidents of the USA. Einfach eine geile Band, hier mein Lieblingssong auf Seite zwei meiner Kassette:
Michael Timm
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