Comedian zu sein ist hart.
Generell mit Humor zu arbeiten ist hart. Man nimmt sich schließlich selbst nicht so ernst. Das ist ja die Basis dafür, dass man sich über sich selbst lustig machen kann. Auf der Bühne, im Film, oder in der Zeitung.
Und doch steht man nun da und muss sagen:
„Ich bin Comedian.“
„Ich bin Autor einer Comedy-Serie.“
„Ich bin Kolumnist.“
Stimmt das denn auch? Wann ist man denn ein richtiger Comedian? Auch dann, wenn niemand einen kennt? Wenn man bisher vor höchstens 30 Leuten in verrauchten Bars gespielt hat? Und davon nur drei gelacht haben?
Die Frage ist nicht fair.
Ist ein Bäcker ein Bäcker, wenn niemand seine Brötchen kauft?
Wenn ein Bäcker jeden Tag auf seinen Schrippen sitzen bleibt, dann macht er irgendetwas falsch. Einverstanden. Aber er bäckt den ganzen Tag. Was ist er also anderes als ein Bäcker?
Der Bäcker ist der Comedian. Das ist eine Metapher.
Alle Humorarbeiter haben eine Gabe. Oder einen Fluch. Einen Drang. Sie können nicht NICHT lustig sein. Sie können uns nicht NICHT überraschen.
Wahre Comedians, wahre Humoristen, sind immer auf der Suche nach dem Neuen. Dem neuen Blickwinkel, der neuen Geschichte, der neuen Erfahrung. Und von diesen möchten sie uns erzählen.
Comedians sind Geber.
Das Problem: Die Menschen wundern sich nicht mehr oft genug.
Sie haben den Sinn für die Magie des Alltags verloren. Sie sehen nicht die kleinen Details in der Routine, die unerhört sind. Die lustig sind. Die anders sind.
Echte Comedians sind ehrlich. Sie wollen die Wahrheit. Die Wahrheit ist komischer als der Witz.
Zugegeben: Die Menschen mögen es unterhalten zu werden. Mit einer struppige Perücke zum Beispiel. Das kann lustig sein, der ein oder andere wird darüber lachen. Aber es wird ihn nicht verändern. Zeigt dem Publikum, dem Leser, nicht nur das, was er sowieso schon kennt.
Comedians sind Kreative. Sie müssen etwas Neues schaffen. Dazu nehmen sie das, was bereits da ist. Bauen etwas Neues und hauen es dem Publikum um die Ohren
Ein Komiker ist ehrlich mit sich selbst. Und spricht über die Dinge, die ihn bewegen.
Man schreibt nicht für den Fame. Nicht, um ins Fernsehen zu kommen. Oder auf der Straße angesprochen zu werden. Man schreibt, weil man ein Autor ist. Ein Kreativer. Und es einfach muss.
Wenn Comedians nicht auf die Bühne gingen, nicht den Alltag immer neu beleuchten würden, sie wüssten nicht, was sie sonst tun sollten.
Der Drang nach Erfolg und Bewunderung ist natürlich. Aber er zerfrisst die eigene Stimme. Er untergräbt den Mut und die Ehrlichkeit.
Je mehr man sich über den schnellen Erfolg hinwegsetzt und sich auf die Suche nach sich selbst begibt, desto mehr Leute werden einen hören und begeistert folgen.
Irgendwann.
Die Lösung ist die Neugier. Die Neugier nach sich selbst und den Menschen um einen herum.
Was hat dein Vater gemacht, um deine Mutter kennenzulernen? Worüber haben sie gelacht?
Geschichten sind schön.
Ein Comedian stellt die richtigen Fragen.
Und bleibt bescheiden.
Wer denkt, Kreativität ist die pure eigene Leistung, der hat die Quelle ihrer Kraft noch nicht begriffen. Es ist die innere Stimme des Comedians, die ihm befielt. Die lenkt und ihn beschenkt.
Manchmal ist sie stumm.
Dann wollen wir aufhören.
Aber eigentlich müssen wir nur warten. Und bescheiden sein. Die Stimme kommt wieder.
Ein wahrer Comedian kann nicht aufhören.
Comedians sind Geber.
Komiker setzen sich hin und geben sich Zeit. Sie hören auf sich und schreiben auf, was heraus will.
Sie backen ihre Brötchen. Jeden Tag.
Auch wenn sie am Anfang noch keiner so richtig will.
Sie bleiben bescheiden.
Und machen ihre Arbeit.
Michael Timm
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