Wenn Comedians ihren Migrationshintergrund zum zentralen Thema ihres Comedymaterials machen, dann fällt oft der Begriff „Ethno-Comedy“. Aber ist das eigentlich gerecht?
In diesem Gastbeitrag formuliert Osan Yaran seine Eindrücke als Stand-Up Comedian mit Migrationshintergrund. Ich kenne Osan schon seit Jahren und habe ihn als jemand kennengelernt, mit dem man super offen und respektvoll über kulturelle Unterschiede und Religion reden kann. Deshalb freue mich um so mehr, dass er sich die Mühe gemacht hat seine Gedanken für euch aufzuschreiben:
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Die Sache mit der „Ethno-Comedy“
Ich habe mit Stand-Up Comedy vor drei Jahren angefangen. Da kommt jetzt keine großartige Erfolgsstory oder so, mir kam einfach der Gedanke: Hey das könntest du auch machen! Und schwupps war ich eine Woche später mit 2 Freunden in dem sogenannten Scheinbar, dem „kleinsten Varieté Deutschlands“. Mein erster Auftritt war natürlich eine Katastrophe, da ich noch keine Ahnung von Stand-Up hatte und ein blutiger Anfänger war. Heute weiß ich es besser. Stand-Up Comedy ist eine hoch komplexe Kunst und Wissenschaft zugleich. Jedes Wort, jeder Satz, jede Mimik, jede Gestik ist auf akribische Art und Weise einstudiert und erprobt. Die Kunst besteht darin es aussehen zu lassen, als sei es einem gerade auf der Bühne spontan eingefallen.
Ich habe die Fehler gemacht, die jeder angehende Komiker macht. Ich habe überlegt: was könnte das Publikum lustig finden?
Worüber könnten die Zuschauer lachen? Und gerade diese Herangehensweise ist falsch. Es ist nicht wichtig was das Publikum lustig findet, sondern was man selbst lustig findet und wie man das Publikum dazu bringt, über den eigenen Standpunkt und Blickwinkel zu lachen. Als ich mit Comedy anfing war mein Anspruch nicht allzu groß, jeder Lacher war mir recht. Die Quelle der Gags waren die banalsten Dinge, Klischees und dumme Vorurteile – oder wie manche Leute es ausdrücken würden: „Ethno-Comedy“.
Ist es „Ethno-Comedy“, wenn ich einfach über typisch türkische Alltags-Dinge rede, oder ist es vielleicht einfach nur mein Leben und somit die Wahrheit?
Ich bin der Meinung, dass der Begriff „Ethno-Comedy“, also wenn die Künstler über ihren Migrationshintergrund sprechen, diffarmierend klingt. Ist es „Ethno-Comedy“, wenn ich über die Sprachprobleme meiner türkischen Eltern rede? Ist es „Ethno-Comedy“, wenn ich über meine türkische Hochzeit mit achthundert geladenen türkischen Gästen rede? Oder ist es einfach nur die Wahrheit?
Meines Wissens nach gibt es jetzt keine eindeutige Definition des Begriffs „Ethno-Comedy“. Dieser Begriff ist erst aufgetaucht, als immer mehr Künstler mit Migrationshintergrund den Mut hatten über die kulturellen Unterschiede zu reden mit denen sie tagtäglich konfrontiert werden. Als zum Beispiel Kaya Yanar damals anfing über sein Leben als Deutsch-Türke zu reden, war er ausschließlich ein Komiker, der auf kulturelle Unterschiede aufmerksam machte. Mit den Jahren kamen immer mehr Komiker mit ähnlichem Background dazu, die über ähnliche Dinge redeten. Erst dann wurde ihrer Comedy der Stempel „Ethno“ aufgedrückt. Der Begriff „Ethno“ drückt einfach nur aus, dass die Themen von kulturellen Unterschieden geprägt sind.
Angebot und Nachfrage
Warum da mittlerweile etwas negatives mitschwingt, ist wohl auf das simple Prinzip von Angebot und Nachfrage zurückzuführen. Das Angebot der Komiker, die solch eine Comedy machen ist in den letzten Jahren stetig gestiegen, ja so dermaßen, dass nahezu keine Nachfrage mehr danach besteht. Der Markt ist gesättigt.
Am Anfang meiner Karriere habe ich natürlich auch über die banalsten Dinge geredet, wie zum Beispiel, dass meine Großmutter einen Schnurrbart hat.
Das soll heißen, dass die Quelle meines Humors nicht besonders differenziert war. Das ist aber total normal, weil, wie gesagt, einem blutjungen Anfänger ist es erst einmal nur wichtig, dass die Leute überhaupt lachen. Nach meinem ersten Jahr als Comedian habe die muslimische Pilgerfahrt absolviert und direkt danach ein Islamstudium aufgenommen. Da war dann erstmal eine Comedy-Pause angesagt. Nach einem dreiviertel Jahr zog es mich dann wieder auf die Bühne, nur diesmal war mein Blickwinkel stark vom Islam geprägt.
Ich begann Material zu schreiben, das sich auf den Alltag eines Moslems bezog. Zum Beispiel, wie mein Chef mich im Lager beim Beten erwischt und schreit: „Osan wir haben keine Zeit für Yoga!“. Oder über die Tatsache, dass wir Muslime in den Medien alle als Terroristen abgestempelt werden. Was ja wohl nicht stimmt, einige von uns sind schließlich auch Taxifahrer! Ihr seht: Meine Themen gingen mehr in die Richtung Deutsch-Türkisch-Muslimisch.
Ich bin ein Deutsch-Türkischer-Muslimischer Familienvater, der mit alltäglichen Problemen wie Beziehung, Kindeserziehung und Berufsleben zu kämpfen hat.
Erst jetzt, nach drei Jahren in der Comedy-Szene habe ich mich als Komiker selbst gefunden und trage nun meine komplette Identität auf die Bühne. Jetzt, nachdem ich das Handwerk der Comedy gelernt und studiert habe und mir ein wenig Selbstvertrauen angeeignet habe, ist die Quelle meines Humors viel differenzierter. Wenn dann doch ein paar Stories von meinem türkischen Vater oder meiner türkischen Mutter hineinrutschen, dann ist das nicht gleich minderwertig, sondern einfach nur mein Leben als Deutsch-Türkischer Comedian mit Migrationshintergrund.
Was ich mir von der Comedy-Szene erhoffe, und vor allen Dingen von meinen Comedy-Kollegen mit Migrationshintergrund
Redet einfach über das was ihr lustig findet. Über euer Leben. Redet über die Vorurteile mit denen ihr konfrontiert seit oder macht es nicht, vollkommen egal. Wichtig ist, dass ihr euch selbst treu bleibt und falls die Leute das „Ethno“ nennen möchten, dann ist das so. Aber das heißt nicht, dass es minderwertige Comedy ist. Es ist einfach nur euer Leben und euer Standpunkt. Ich mache es zumindest so. Ich rede über das, was mich bewegt und wenn jemand das „Ethno“ nennen möchte, bitte. Dann ist das halt so.
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Osan Yaran ist ein 29-jähriger deutscher Stand Up Comedian mit türkischen Wurzeln, geboren und aufgewachsen im schönen Bezirk Berlin-Wedding. Das Leben dort, seine hauptsächlich ausländischen Freunde und die Tatsache, dass er sein halbes Leben damit verbracht hat amerikanische Sitcoms zu schauen (Bill Cosby Show, Prince von Bel Air, King of Queens) hat seinen Sinn für Humor geprägt und geformt. Er bezeichnet sich gerne als „Ostmane“, da er mit seiner gesamten Familie nach seinem achtzehnten Lebensjahr nach Staaken, in den Osten Berlins zog.
Kontaktieren und folgen könnt ihr Osan auf Facebook und hier ist ein Video von einem seiner Sets bei der Nightwash:
Michael Timm
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Karsten Lampe says
Hi allerseits,
ich persönlich mag den Begriff Ethnocomedy nicht besonders, weil er den Künstler auf seine Herkunft, auf seine Haar- und Hautfarbe oder seinen Akzent reduziert. Das Problem ist nur, dass viele Komiker-mit-Migrationshintergrund sich selbst in ihren Nummern kaum anders behandeln. Immer noch kommen diese Jungs und Mädels auf die Bühne und glauben, mit der Ankündigung, hier gleiche eine Bombenstimmung verbreiten zu wollen, irgendwie innovativ zu sein. Anschließend maßregelt der Komiker sein Publikum gern, weil es ja über rassistische Witze lacht, die er oder sie aber trotzdem selber erzählt hat. Natürlich muss jeder Komiker aus seinen eigenen Erfahrungen schöpfen. Und ebenso natürlich sind die Erfahrungen von Muslimen und Einwandererkindern andere als meine. Es ist gut, wenn ich diesen Blick auf die Welt durch Humor mitbekomme. Aber all zu oft bleibt es beim Wiederkäuen und damit letztlich leider auch beim Bestätigen abgestandener Allgemeinplätze. Gut fand ich übrigens den Witz übers Stricken. Da steckt Wahrheit drin und er unterwandert geschickt die Erwartungshaltung.
Michael Timm says
Hi Karsten, danke für deinen Kommentar! Genau, der Beitrag sollte ein Plädoyer dafür sein, sich über über das Witzniveau der „Bombenstimmung“ emporzuheben und einen originellen und interessanten Bezug zur eigenen Geschichte und Herkunft zu finden.