Sechs Minuten Zeit hatte ich, um hier zu zeigen, wie lustig ich bin
Ich sitze im Zug von Köln zurück nach Berlin und komme von dem Casting einer Comedy Show. Es lief ok. Ich denke immer die Leute wollen eher sone lauten Comedians. Das Publikum war nicht so gackerig drauf, wie man sich das wünscht, aber es war freundlich. Einmal habe ich den Faden verloren, weil mein Arschloch-Gehirn gemerkt hat: „Ey krass, wir sind bei einem großen Casting! Also nicht den Text vergessen!“ Ich hatte einen kurzen Hänger, und man denkt dann: “Oh Gott, ich stottere hier minutenlang rum!”, dabei sind das auf der Bühne nur drei Sekunden.
Bei den meisten Castings, Talentwettbewerben und offenen Bühnen läuft es ähnlich ab: In fünf bis sieben Minuten müssen wir Comedians die Jury und das Publikum davon überzeugen, dass wir geniale Gagmaschinen sind.
Ich weiß nicht, wo es das sonst noch gibt: Man wird einfach losgelassen auf ein fremdes Publikum, um dort in sechs Minuten
- eine Connection zu den Leuten herzustellen
- dem Publikum etwas Interessantes mit auf den Weg zu geben
- und das Ganze noch in Witze zu verpacken
Wenn ich einen Abend als Moderator auf der Bühne stehe, merke ich den großen Unterschied: Nach einer Stunde kennen einen die Leute, sie wissen wie man tickt und man kann einfacher an Witze und Themen anknüpfen. Sechs Minuten dagegen sind hart. Man muss sich abstrampeln. Und wenn man die Leute dann langsam hat, ist es auch schon wieder vorbei.
Es gibt noch Poetry Slams und Lesungen, da ist es ähnlich schwer. Aber ich behaupte einfach mal, dass man sich beim Lesen auch hinter seinem Text verstecken kann, wenn keiner lacht.
Wir Comedians blicken direkt in die gelangweilten, verständnislosen Augen des gähnenden Publikums.
Und Poetry muss auch nicht immer witzig sein. Ein Text kann schön, ansprechend, berührend oder beängstigend sein. Aber bei Comedy müssen die Lacher sitzen. Hinterher sagt keiner: „Ach, der eine Comedian war toll, was der gesagt hat war so schön traurig.“ Ich will nicht sagen, dass ich das gut finde. Im Gegenteil. Aber so ist es halt.
Es ist schwer zu beschreiben: Du stehst vor den Leuten und weißt deine Witze sind lustig. Sie waren 100 Mal lustig. Nicht nur vor Mama. Der Berliner Comedian Fil meinte in einem Interview: „Die Leute wollen ja lachen. Das einzige was man machen muss, ist auf der Bühne keine Idiot sein und die Leute mit schlechten Witzen am Lachen hintern.“
Aber du weißt nie wer da sitzt. Verstehen die dich?
In traditionellen Varieté-Shows kann es passieren, dass da das komplette Bürgeramt Pankow im Publikum sitzt. Betriebsausflug. Die wissen nicht was Onlinedating ist und warum es peinlich ist bei Instagram Bilder von seinem Essen zu posten. Und dann bombst du richtig. Und willst dich auf der Stelle eingraben.
Die Humortheorie sagt: Das Wichtigste für das Lachen ist ein gemeinsamer Wissenshorizont. Witze über die schlechte Kantine, werden beim Bürgeramt Pankow Publikum ein Kracher. Eine Gruppe Künstler aus Neukölln kann damit eher nichts anfangen.
Es ist, als wärst du ein Superheld – „Lach-Man“ – und dir hat jemand Kryptonit in die Unterhose gesteckt. Gestern hast du mit deiner Comedypower den ganzen Laden auseinander genommen. Und jetzt stehst du vor einem Publikum, dass dich nicht versteht, du hast Ladehemmung, strampelst dich ab wie der letzte Idiot und weißt nicht was los ist.
Ein abendfüllendes Programm muss man aber auch erstmal schreiben. Und dann noch das Publikum finden, dass auf den Shit steht! Dann kann man sich Zeit lassen, mit dem Publikum warm werden, es und Nummern bringen, die nicht nur auf Knalleffeckt ausgelegt sind. Aber für mich das noch ein weiter weg – also auf in die nächste Runde sechs Minuten-Arenen.
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